Unser Köln
Sportstadt Köln
Redaktion · 01.07.2025
Oberbürgermeisterin Henriette Reker im Gespräch mit Prof. Dr. Ansgar Thiel. Foto: Presse Kommunikation DSHS Köln
Köln ist eine Sportstadt mit einer vielfältigen Vereinslandschaft und der Deutschen Sporthochschule Köln (SpoHo) als Deutschlands einziger Sporthochschule. Welche Bedeutung hat der Sport aus Ihrer Sicht für die Kölnerinnen und Kölner?
Reker: Der Sport verbessert unsere Lebensqualität, ist das Mittel der Integration und fördert den sozialen Zusammenhalt. Es gibt in unserer Stadt über 700 Sportvereine mit weit mehr als 300.000 Mitgliedern und unzählige Menschen, die vereinsungebunden Sport treiben. Im Sport liegt dabei nicht nur großes Potential für die Gesundheit, sondern auch für die Vermittlung von Werten. Zudem stiftet er emotionale Verbundenheit zur Stadt, etwa bei vielen Menschen, die bei den Spielen von FC, Fortuna, Viktoria oder den Haien mitfiebern.
Thiel: Sport ist geradezu ein Wundermittel für die biopsychosoziale Gesundheit. Er kann das Wohlbefinden fördern, Toleranz, Fairplay, aber auch Durchhaltevermögen und Disziplin lehren und die Gesundheit verbessern. Seine präventiven Potenziale werden oft unterschätzt: Dass Sport und Bewegung wie eine regelrechte „Multi-Pille“ gegen viele physische sowie psychische Erkrankungen und Krankheitsgefährdungen wirken, wird durch eine Vielzahl an wissenschaftlichen Studien untermauert.
Sport ist also mehr als ein Mittel, körperlich fit zu werden und sich im Wettkampf zu messen?
Thiel: Ja, Sport ist weit mehr als das. Er schafft Begegnungen, unterstützt die Persönlichkeitsentwicklung und stärkt das Miteinander in einer vielfältigen Gesellschaft. Der Sport fördert Zusammenhalt und Integration, weil er soziale, kulturelle und sprachliche Barrieren überwindet. Es gibt nur wenige Gesellschaftsbereiche, die unabhängig von kultureller Herkunft, Religion oder Weltanschauung so verbindend wirken können wie der Sport.
Reker: Dem kann ich nur zustimmen, Sport gibt jeder und jedem die Möglichkeit, sich aktiv in das gesellschaftliche Leben einzubringen. Besonders hervorheben möchte ich das ehrenamtliche Engagement, das im Sport sehr verbreitet ist und für das wir ausgesprochen dankbar sind.
Frau Reker, was bedeutet es für Köln, eine Institution wie die „SpoHo“ in der Stadt zu haben?
Reker: Die Deutsche Sporthochschule Köln ist ein Aushängeschild für die Bundesrepublik Deutschland und genießt internationales Ansehen. Damit ist sie ein Leuchtturm für die Sportstadt Köln und attraktives Ziel für Studierende und wissenschaftlich Tätige aus der ganzen Welt. Zugleich bietet die Zusammenarbeit natürlich auch für die städtische Verwaltung immense Vorteile. Beispielsweise im Rahmen der Sportentwicklungsplanung, im Zuge der Fußball-Europameisterschaft oder bei der nachhaltigen Planung und Umsetzung inklusiver Sport- und Freizeitangebote.
Herr Professor Thiel, gibt es wissenschaftliche Erkenntnisse, die in der Praxis noch stärker genutzt werden sollten?
Thiel: Einige Studien zeigen, dass erfolgreiches Training nicht nur stark von individuellen Faktoren wie Genetik, Physiologie und Bewegungsmustern abhängt, sondern dass auch soziale Faktoren, wie Erziehung, kulturelle Herkunft, persönliche Vorlieben und Lifestyle eine Rolle spielen. Dennoch wird in der Praxis häufig noch auf standardisierte Programme gesetzt, anstatt Trainingspläne maßgeschneidert anzupassen. Ebenso können heute immer präzisere Daten zur Bewegungsausführung und Trainingsbelastung erhoben werden. In vielen Trainingsumgebungen werden diese datenbasierten Ansätze jedoch noch zu selten genutzt, obwohl sie wichtige individuelle Rückschlüsse auf Trainingszustand und Trainingsgestaltung ermöglichen, was nicht nur für den Leistungssport, sondern genauso für die Gesundheitsförderung und Prävention bedeutsam ist.
Die Infrastruktur ist ein wesentlicher Faktor für die Teilhabe am Sport. Wie sieht es mit der Sportstätten-Situation in Köln aus?
Reker: Angesichts der angespannten Haushaltslage sind von den nötigen Einsparungen leider auch geplante Investitionen in Sportstätten betroffen. Diese Einschnitte tun weh, sind aber unausweichlich. Umso wichtiger ist die Förderung niederschwelliger Sportangebote – und zwar dort, wo sich die Menschen in ihrem Alltag ohnehin aufhalten. So kann die verbindende Kraft des Sports besonders gut wirken. Ich finde sehr gut, dass zum Beispiel das Projekt „Offene Schulhöfe“ fortgesetzt werden soll, um Kindern und Jugendlichen eine Begegnungsstätte für Spiel und Sport bereitzustellen. Zudem müssen Angebote für Sport und Bewegung auch bei künftigen Baumaßnahmen im öffentlichen Raum noch stärker mitgedacht werden.
Thiel: Die Integration von Sport und Bewegung in den Alltag ist eine große Herausforderung für die Stadtentwicklung. Wir dürfen bei der Sportentwicklung nicht mehr nur an altbekannte Sportstätten wie Turnhallen und Fußballplätzen denken. Wir müssen Grünanlagen zu Bewegungsparks machen, wir könnten aber auch Bus- und Bahnhaltestellen mit Fitnessgeräten ausstatten oder Bildschirme an Ampeln anbringen, die den Fußgängerverkehr beispielsweise durch kurze Videos zur Bewegung animieren, bevor das grüne Licht erscheint.
Ganz besonders wichtig ist aber die Förderung von Sport und Bewegung in der Schule, denn hier werden alle Heranwachsenden erreicht. Bewegungsförderung darf sich dabei nicht nur auf den Sportunterricht beschränken. Schulen dürfen nicht nur "Sitzschulen" sein. Wichtig für die Förderung einer biopsychosozial gesunden Entwicklung sind daher auch bewegte Pausen und sogenannte "bewegte Unterrichtsformen", auch in Fächern wie Sprachen oder Naturwissenschaften. Eigentlich sollten Schulen prinzipiell „Bewegte Schulen“ sein, damit sich alle jungen Kölnerinnen und Kölner ausreichend bewegen.
Viele Sportvereine kämpfen mit Mitgliederrückgängen oder finanziellen Problemen. Wie können Stadt und SpoHo diese Vereine besser unterstützen?
Reker: Eine vielfältige Sport- und Vereinslandschaft ist ein wichtiges Gut, weshalb wir diese Entwicklung genauestens beobachten. Über gemeinsame Aktionen können wir die Sichtbarkeit für die Vereine und ihr ehrenamtliches Engagement fördern und sie somit unterstützen. Beispiel hierfür ist das Projekt „Kölle aktiv“ im Rahmen unserer Sportentwicklungsplanung, bei dem die Stadt Köln eng mit dem Stadtsportbund Köln e. V. kooperiert. Hier werden städtisch finanzierte, aber durch Sportvereine organisierte, kostenlose Sportangebote im öffentlichen Raum angeboten. Die Sportvereine können diese Öffentlichkeit wiederum zur Mitgliedergewinnung nutzen. In finanziell schwierigen Zeiten ist in vielen Bereichen Kreativität gefragt, aber gemeinsam kann man trotzdem viel bewegen.
Thiel: Unsere Sportuniversität hat seit vielen Jahren einige schöne Projekte mit Kölner Sportvereinen, etwa mit den „Köln 99ers“, „Grenzenlos in Bewegung“, mit dem Leichtathletik-Team der SpoHo „LT DSHS“ oder auch mit „Kopfsprung Köln“. Schwerpunkte sind zum einen die Kooperation bei Forschungsprojekten im Spitzen-, Freizeit- und Breitensport von Menschen mit Behinderung. Zum anderen geht es um die gemeinsame Initiierung und Durchführung von fachwissenschaftlichen Seminaren, Ausflügen und Praxisveranstaltungen. So erhalten beispielsweise Studierende die Möglichkeit, Praktika, Lehrübungen und Hospitationen in diesem Verein zu absolvieren.
Blick in die Zukunft: Welche Maßnahmen oder Projekte würden Sie sich wünschen, um die gesundheitsfördernde und integrative Kraft des Sports weiter auszubauen? Gibt es konkrete Pläne?
Reker: Die Kölner Sportentwicklungsplanung hat wissenschaftliche Handlungsempfehlungen und Maßnahmen auf den Weg gebracht. Unter anderem wird die Sportentwicklungsplanung im Sinne der Verwaltungsreform und bereichsübergreifender Zusammenarbeit der Ämter eng mit der Stadtplanung verzahnt, damit im öffentlichen Raum mehr Sport getrieben werden kann. Hinzu kommt die Sanierung, Modernisierung und der Neubau schulischer Sportanlagen in einer Weise, dass sie sowohl für den Schulsport als auch für die Angebote lokaler Sportvereine genutzt werden können. Es bleibt unser Ziel, den Gesellschaftsbereich Sport in all seinen Facetten zu fördern. Daher wünsche ich mir weiterhin eine enge Zusammenarbeit und partnerschaftliche Verbundenheit aller beteiligen Institutionen und Organisationen im Sinne der Sportförderung.
Thiel: Mein Wunsch wäre eine bewegungsorientierte Strategie der Stadtentwicklung, die Köln in noch stärkerem Maße zu einer Stadt der Bewegung, Gesundheit und sozialen Interaktion macht. Menschen sehnen sich nach lebendigen Orten, die Begegnung und Aktivität fördern. Gerade der strukturelle Wandel unserer Innenstädte eröffnet hierfür völlig neue Chancen. Zudem wünsche ich mir die Förderung von Projekten wie unserem geplanten Kompetenzzentrum zur „Sozialen Integration im und durch Sport für Menschen mit Zuwanderungshintergrund“. Hier soll Forschung und auch Beratung zum integrativen Potential des Sports in ganz enger Zusammenarbeit mit Organisationen der Praxis stattfinden.
Deutsche Sporthochschule Köln
Am Sportpark
Müngersdorf 6
50933 Köln
https://www.dshs-koeln.de/
Maps
Übersicht aller Kölner Sportvereine:
www.ssbk.de/fuer-aktive/verein-suchen
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Tags: Deutsche Sporthochschule Köln , Interview , Köln , Oberbürgermeisterin , Prof. Dr. Ansgar Thiel , Reker , Sportvereine , Vereinssport