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Tierschutz: Platz für den Spatz!

Philipp Haaser · 09.03.2021

Der Haussperling, die wissenschaftlich richtige Bezeichnung für den Spatz, sucht die Nähe zu menschlichen Siedlungen. Foto: Betina Küchenhoff

Der Haussperling, die wissenschaftlich richtige Bezeichnung für den Spatz, sucht die Nähe zu menschlichen Siedlungen. Foto: Betina Küchenhoff

Früher flatterte er überall herum, heute ist der Spatz in der Stadt eher selten zu sehen. Doch man kann einiges tun, um ihm zu helfen.

Andrea Eßfeld ist am Nikolausplatz in Sülz zuhause. Der Anblick der Altbaufassaden und der Kirche ist ihr vertraut. Seit mehr als dreißig Jahren wohnt die67-Jährige hier. Lange Zeit gehörte das Treiben der Spatzen auf dem Platz, ihr Tschilpen und die hektischen Flüge zwischen den Häusern und Hecken wie selbstverständlich dazu.

Stadtplanung in Beton

Vor rund zehn Jahren jedoch bemerkte sie, dass sich immer weniger der kleinen Stadtvögel blicken ließen – ein schlechtes Zeichen: „Wir brauchen das gleiche Grün, das die Spatzen brauchen. Wo sie nicht mehr sind, da ist nur noch Beton“, sagt sie. Dass die Spatzen verschwunden sind, habe mit der Veränderung des Platzes zu tun, meint Eßfeld.

Hecken wurden zurückgeschnitten, Rosenbüsche und Eiben verschwanden, eine Wiese wurde ersetzt durch einen Bodenbelag, der zwar wasserdurchlässig ist, aber keine Nahrung mehr für die Vögel bietet. Mit den sanierten Fassaden ringsum gingen Nistmöglichkeiten verloren, mit den Hecken der Schutz vor Katzen.


Längst nicht mehr allgegenwärtig: der Haussperling. Foto: Fritz Zühlke / pixelio

Eßfeld wollte das nicht hinnehmen. Sie hat mit der Stadt Gespräche über die Gestaltung der Grünflächen geführt, verhindert, dass die Hecken regelmäßig radikal gestutzt werden, Futterstellen und Tränken aufgestellt, die sie befüllt und reinigt. Die Vögel haben es ihr gedankt, so scheint es, und sich wieder vermehrt. „Das ist ein totaler Erfolg. Aber sie sind von mir abhängig“, sagt sie.

Kein Nistplatz, kein Überleben

Wie viele Tierarten haben auch einige Vögel seit jeher mit den Menschen gesiedelt. Störche, Dohlen, Falken, Fledermäuse, Schleiereulen, Schwalben, Mauersegler und eben Haussperlinge, wie die Spatzen vogelkundlich korrekt heißen, werden von Experten Gebäudebrüter genannt. Sie nisten in Mauernischen, unter Dachvorsprüngen und in Hohlräumen zwischen den Dachziegeln. Sie bewohnen die Häuser mit uns Menschen. Die Stadt ist damit auch ihr Lebensraum. (Lesen Sie hier: Wie baue ich ein Vogelhaus?)

Aber auch die Stadt Köln hat das Problem der schlechteren Lebensbedingungen für die Spatzen erkannt. Betina Küchenhoff, zuständig für Artenvielfalt und Umweltbildung beim Umweltamt, hat eine Kampagne entwickelt, die den Spatz in den Mittelpunkt stellt. Der Sympathieträger sei selten geworden, bestätigt sie. In Zahlen kann sie das nicht ausdrücken.

Lange war der Spatz so selbstverständlich Teil des Stadtbildes, dass niemand auf die Idee kam, seinen Bestand systematisch zu erfassen. Inzwischen wird der Haussperling auf der Liste der vom Aussterben bedrohten Arten geführt, im Moment noch bei den Vogelarten, für die eine Vorwarnung gilt.


Spatzen sind Gebäudebrüter. Wer genau hinschaut, sieht sie auf Mauernischen und auf Vorsprüngen nisten. Foto: Betina Küchenhoff

Insektenschutz ist Spatzenschutz

Doch es geht Küchenhoff nicht um den Vogel allein. Der Spatz gebe uns als eine „Leitart“ Auskunft darüber, wie es um das Ökosystem insgesamt bestellt sei. Sein Verschwinden könnte ein Hinweis sein, dass in den Städten auch nicht genügend Insekten leben können. Denn Spatzen ernähren sich nicht nur von Gräsern oder Samen.

Für die Aufzucht des Nachwuchses sind sie auf Eiweiß angewiesen. Deshalb jagen sie auch Larven und andere kleine Insekten. Finden sie nicht genug, sinkt die Zahl der Jungvögel, die überleben, die Population schrumpft, ein schlechtes Zeichen. „Ohne Insekten haben auch wir ein großes Problem“, sagt Küchenhoff. Denn sie sind nicht nur als Futter, sondern auch für die Pflanzenbestäubung wichtig. Und einmal ausgelöscht, kehren die Arten nicht zurück.

Küchenhoff ist wichtig, dass die Stadt nicht als Gegensatz zum ländlichen Raum verstanden wird. Denn sie ist nicht weniger bedeutend für den Naturschutz. Finden Tierarten in Städten genug Platz, können sie durch sie hindurchwandern, erklärt die Expertin. Dann verbinden die Siedlungen Lebensräume. Vertreibt der Mensch die Tiere, indem er ihnen Nahrung, Nistmöglichkeiten und Schutz nimmt, wirken die Städte als Barrieren. Das hat in einer dicht besiedelten Region wie Europas Mitte weitreichende Folgen für die Vielfalt von Flora und Fauna.

Gebraucht: mehr grüner Lebensraum

Besonders trägt die Bebauung mit immer weniger Fassadenlücken und mehr Wärmedämmung dazu bei, dass Spatz und Co. keinen Platz mehr für ihre Nester finden. Auch eingewanderte Pflanzen, wie das für Bienen giftige Jakobskreuzkraut, sind ein Problem. Spatzen brauchen neben Wildkräuterwiesen, einem anderen wichtigen Bestandteil ihres Speiseplans, geschützte Orte für ihr geselliges, mitunter recht lautes Sozialleben.

Doch auch unzugängliche Gehölze und verwilderte Brachen werden in den wachsenden und immer dichter bebauten Städten rar. Die Stadt steuert gegen und hat ein vielfältiges Hilfeprogramm aufgelegt: Sie unterstützt Projekte an Schulen, Kitas und in Seniorenheimen, Nistkästen für Spatzen zu bauen und anzubringen. Insbesondere an Hausbesitzer richtet sich der Appell, Nistmöglichkeiten für die Gebäudebrüter zu berücksichtigen, wenn Sanierungen, Neu- oder Umbauten anstehen.

Sie wirbt dafür, Balkone, Gärten und Vorgärten mit heimischen Gewächsen möglichst naturnah zu gestalten. Vermeintlich pflegeleichte Schotter- oder Steinbeete stellen leblose Grauflächen dar und sollten vermieden werden. Auch die – städtisch geförderte – Fassaden- und Hofbegrünung kommt den Vögeln zugute.

Diese Maßnahmen sollten zur Regel werden, findet Andrea Eßfeld. Sie wünscht sich, dass auch die großen Wohnungsgesellschaften mehr Rücksicht auf die Bedürfnisse der Vögel nehmen. Gehör fand sie bislang wenig. „Das ärgert mich. Dabei ist das wirklich nicht viel Aufwand“, sagt sie.


Im Naturgarten fühlen sich nicht nur Vögel wohl. Foto: Betina Küchenhoff

Verwilderte Orte sind Wohlfühlorte

Doch es gibt positive Beispiele, wie die gemeinnützige Wohnungsgenossenschaft „Die Ehrenfelder“ mit mehr als 600 Häusern im Bestand. „Vogelschutz ist eines unserer Ziele. Gleichzeitig wollen wir unseren Bewohnern schöne Gärten bieten“, sagt Andrea Pera, bei der Genossenschaft als gelernte Bautechnikerin für die Gartenanlagen zuständig.

Dort findet ein Umdenken statt. Der akkurat getrimmte Rasen könnte künftig nicht mehr die Regel sein. Sie wollen auf den Grünflächen vermehrt wachsen lassen, was ohnehin vorhanden ist. „Man glaubt gar nicht, wie viel Potenzial so ein Boden hat“, sagt Pera. Ein paar Baumstämme, die auf einer Grünfläche verwittern, bieten Behausungen für Käfer, Raupen, Würmer und anderes Getier.

Nicht nur Pflanzen und Tieren gefällt das. „Die Kinder finden das ganz toll, wenn solche Orte verwildern“, sagt Pera, „wenn nicht alles so steril ist.“ Beraten lässt sich Pera dabei von Andrea Eßfeld, der Sülzerin, die seit einiger Zeit vom  Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) sogar als Expertin für Gebäudebrüter vermittelt wird. Denn Ideen gibt es viele, jeder kann etwas tun.

Amsel

(Turdus merula), auch Schwarzdrossel

>15–30 cm groß, die Männchen sind schwarz, die Weibchen dunkelbraun, wird 2–6 Jahre alt.
> Ernährt sich von Sämereien, Beeren, Schnecken, Spinnen, Würmern.
> Lebensraum: Wald, Wiese, Heide, Parks, Gärten. Ehemals Zugvogel, überwintert aber inzwischen vorwiegend hier. > Natürliche Feinde: Elster, Rabenkrähe, Greifvögel, Katze.
> Paart sich von Januar bis März, lebt überwiegend monogam und ist ein Revierkämpfer.
> Nestbau in Hecken, Sträuchern und Bäumen.
> Sie ist tag- und dämmerungsaktiv
> Mit ihrem melodischen Gesang verteidigen die Männchen ihr Revier.

Rotkehlchen

(Erithacus rubecula)

> Bis zu 15 cm groß, hellbraunes Gefieder, orangefarbener Halsbereich, wird 3–6 Jahre alt.
> Ernährt sich von Insekten, Regenwürmern, Käfern, Spinnen.
> Lebt in Wäldern und Gärten, wo schon vor Sonnenaufgang sein typischer Gesang zuhören ist.
> Natürliche Feinde: Fuchs, Marder, Greifvögel, Katze, Eichhörnchen, Elster.
> Der – oft zutraulich wirkende – Einzelgänger paart sich bis zu drei Mal jährlich und lebt streng monogam.
> Er ist tag- und dämmerungsaktiv.

Kohlmeise

(Parus major)

>12–14 cm groß, schwarz-blaue Kopfmaske, gelbes Bauchgefieder, olivgrüne Flügelschwingen, wird 2–5 Jahre alt.
> Ernährt sich von Insekten, Spinnen, Insektenlarven, Samen.
> Lebt eigentlich überall, während der Brutzeit bevorzugt sie Gärten, Parks und lichte Wälder.
> Natürliche Feinde: Elster, Falke, Sperber, Katze.
>Paarungszeit von Februar bis April, brütet 5–12 Eier in Baumhöhlen aus, nutzt gerne Nistkästen.
> Meisen sind tagaktiv.


Foto: Michael Hüttl auf Pixabay

Haussperling

(Passer domesticus), auch Spatz

>11–15 cm groß, weiß-braunes Gefieder,wird 2–3 Jahre alt.
> Ernährt sich von Nüssen, Samen, Larven und Insekten.
> Lebt überall dort, wo Menschen siedeln.
> Natürliche Feinde: Elster, Fuchs, Katze, Marder.
> Paart sich bis zu drei Mal jährlich und lebt meist monogam.
> Nistet vorwiegend in Lücken von Gebäuden. Er lebt gerne in Gesellschaft, ist tag- und dämmerungsaktiv.

 


Foto: Stadt Köln

Liebe Leserinnen und Leser,

der Erhalt der Artenvielfalt ist zu einer zentralen Aufgabe mit weltweiter Verantwortung geworden. Denn nicht nur Gorilla und Eisbär sind bedroht, auch zahlreiche Tiere vor unserer Haustüre sterben aus. Selbst der Spatz ist in der Stadt bereits gefährdet. An modernen Häusern findet er kaum Nistmöglichkeiten und auch das Nahrungsangebot ist knapp. Dagegen kann jede und jeder von uns etwas unternehmen: Blühende heimische Pflanzen rund um das Haus oder auf Baumscheiben, der Verzicht auf nicht notwendige Versiegelung von Flächen und die Akzeptanz von ein wenig Wildnis im eigenen Umfeld können zum Erhalt vieler aussterbender und bedrohter Tiere beitragen. Damit würde unsere Stadt nicht nur für uns Menschen, sondern auch für andere Spezies noch lebenswerter. Helfen wir dem Spatz und anderen bedrohten Arten, in die Städte zurückzukommen!

Unterschritft Henriette Reker

Henriette Reker
Oberbürgermeisterin der Stadt Köln

Lesen Sie hier: Wie baue ich ein Vogelhaus?

Spatzenprojekt
Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz
Tel. 0221 / 221-2 27 70
E-Mail: haussperling@stadt-koeln.de
www.stadt-koeln.de/spatz

Grün Hoch3
Förderprogramm für die Fassaden- und Dachbegrünung
Information: Amt für Umwelt- und Verbraucherschutz
Tel. 0221 / 221-2 53 84
www.stadt-koeln.de/gruenhoch3

Spatzenhilfe
Die von einem Verein betrieben Webseite Spatzenhilfe enthält übersichtlich aufbereitetes Wissen über die Haussperlinge und zahlreiche praktische Tipps für ihre Rettung.
Internetseite: www.spatzenhilfe.de

Spatzenbotschafter
Die Ortsgruppe des BUND informiert über die Gebäudebrüter auf ihrer Webseite. Dort können sich Vogelfreunde auch als Spatzenbotschafter betätigen, die melden, wenn sie in ihrer Nähe eine Schar entdeckt haben. Dann können sie gemeinsam mit den Umweltschützern Nistmöglichkeiten schaffen und die Grünflächen in der Umgebung auf ihre „Spatzentauglichkeit“ prüfen.
Internetseite: www.bund-koeln.de

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Tags: Tierschutz , Wildtiere

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