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Leben in Köln

Der Schlichter von nebenan

René Denzer · 19.01.2021

Helmut Freund ist ehrenamtliche Schiedsperson. Foto: René Denzer

Helmut Freund ist ehrenamtliche Schiedsperson. Foto: René Denzer

Bei jeder Uneinigkeit direkt vor Gericht? Recht und Gesetz vertritt auch eine Schiedsperson – und man kann Zeit und Kosten sparen.

Das Angebot des Dachdeckers hörte sich gut an. Da hatten Rita und Werner Meier (Namen von der Redaktion geändert) zugegriffen. Dem kompetenten Eindruck, den der Handwerker am Anfang an der Haustür gemacht hatte, wurde er allerdings nicht gerecht.

Als dann ein hoher Abschlag gezahlt werden sollte, während die Arbeiten noch liefen, kontaktierten die Meiers die Dachdecker-Innung. Dort war der Handwerker bekannt, nicht als Mitglied, sondern als schwarzes Schaf. Die Meiers ließen einen Gutachter kommen. „Der hat richtig Schotter gekostet“, sagt Werner Meier.

Rat der Rechtsschutzversicherung

Das Ergebnis: Pfusch am Bau. Die Meiers meldeten das Ganze ihrer Rechtsschutzversicherung, eine Anwältin wurde mit dem Fall betraut. Ihr Rat: den Streit außergerichtlich klären zu lassen, über eine Schiedsperson.

Eine solche ist Helmut Freund. Im Radio hatte er vor ein paar Jahren einen Beitrag über Schiedspersonen verfolgt, das Ehrenamt interessierte ihn sofort. Von Haus aus Lehrer kennt sich der 66-Jährige mit dem Thema Streitschlichtung gut aus. Sein Beweggrund: der Gesellschaft etwas zurückgeben. Daraufhin hat Freund sich beider Stadt Köln für das Amt beworben. Da er in Ostheim wohnt, wählte ihn die für das Veedel zuständige Bezirksvertretung Kalk. Vereidigt wurde Freund vom Amtsgericht.

Schlichten statt richten

Freund ist nun seit vier Jahren Schiedsmann, für fünf Jahre ist er gewählt. Seine Aufgabe: zwei Parteien zusammenführen, sich austauschen, eine Einigung erzielen. „Schlichten statt richten“ lautet die Losung. Es ist ein niederschwelliges Angebot, wo Bürgerinnen und Bürger schnell und unbürokratisch zu ihrem Recht kommen. So werden Kosten minimiert und vor allem Gerichte entlastet.

Wichtig: Eine Schiedsperson spricht kein Urteil. Sie erzielt eine Einigung, einen sogenannten Vergleich.

Das ist eine von beiden Seiten akzeptierte Vereinbarung, die den Streit beendet. Schriftlich festgehalten, unterschrieben und mit Dienstsiegel versehen. Sie ist dreißig Jahre gültig. Auf Freunds Tisch landen Strafrechtsfälle wie Hausfriedensbruch, Sachbeschädigung, Beleidigung und Verleumdung dann, wenn die Staatsanwaltschaft bei Anzeigenerstattung ein öffentliches Interesse verneint.


Eine Einigung mit Brief und Siegel: Helmut Freund beendet den Streit - friedlich und rechtssicher. Foto: René Denzer

Nachbarschaftsstreit friedlich lösen

Bei bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten mit geringem Streitwert und bei bestimmten Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn müssen die Prozessparteien sogar zuerst den Weg zu einem Schiedsamt antreten. So können rund 60 Prozent aller Nachbarschaftskonflikte außergerichtlich beigelegt werden – gütlich und friedlich.

Seine Arbeit sei größtenteils Saisongeschäft, sagt Freund. Etwa, wenn die Bäume ihre Blätter fallenlassen und der Laubbläser seinen großen Auftritt hat oder die Hecke nach einem „Kettensägen-Massaker“ rasiert ist.

Fähigkeiten im Ehrenamt

Juristische Kenntnisse seien für das Ehrenamt nicht erforderlich, die bekomme man später vermittelt. „Entscheidend ist der gesunde Menschenverstand, das Bauchgefühl.“

Manchmal kann eine Schlichtung schnell gehen. Wie bei dem Fall zweier Politiker, vertreten durch zwei Rechtsanwälte. „Eine Einigung war schnell erzielt, am längsten dauerte der Papierkram“, so Freund. Aber es geht auch anders. Manche Menschen stehen unter Strom, sind gestresst, besonders die „alten Kampfhähne“, die es auch mal vom Stuhl hochreißt.

Der Amtsraum im Wohnzimmer

Durchschnittlich 36 Fälle betreut er im Jahr, davon kommt es bei zwölf zu Verhandlungen. Die finden bei Helmut Freund zu Hause statt. Neben seiner Haustür ist ein Schild angebracht: Schiedsamt. Während andere Kommunen Räumlichkeiten stellen, gibt es in Köln 100 Euro im Monat Amtsraumpauschale.„Das schreckt potenzielle Schiedsleute auch ab“, sagt Freund. Ihn nicht.

Wird ein Schlichtungsantrag eingereicht, muss der Antragsteller einen Vorschuss von 50 Euro leisten. Darin enthalten sind die Verfahrensgebühr, Briefverkehr und dergleichen. „Meist geht es vier bis fünf Wochen nach Antragstellung los“, erzählt Freund. In sechs Wochen bis maximal drei Monaten ist die ganze Sache abgeschlossen. Wird keine Einigung erzielt, bleibt der Rechtsweg offen.

Ersparnis auf ganzer Linie

Das war bei den Meiers nicht nötig, ihr Streit wurde geschlichtet. Der Handwerker machte das Dach noch einmal komplett neu und übernahm die Kosten für den Gutachter.

Rita Meier ist sich sicher: Wären sie mit der Sache vor Gericht gegangen, hätte sich das Ganze rausgezögert. Eine Schiedsperson einzuschalten, hätte sie Zeit und Kosten gespart. „Für uns war das eine gute Sache“, sagt Rita Meier. Nebeneffekt: Mit Lockangeboten an der Haustür braucht den Meiers seitdem keiner mehr zu kommen.

Als Schiedsperson kann sich bewerben, wer mindestens dreißig und noch nicht siebzig Jahre alt ist. Eine Schiedsperson muss in ihrem jeweiligen Schiedsamtsbezirk – Köln hat 24 – wohnen.

Schiedspersonen werden für fünf Jahre von der für sie zuständigen Bezirksvertretung gewählt und vom Amtsgericht Köln bestätigt. Zuständig ist der Schlichter, in dessen Bezirk der Gegenpart wohnt.

Weitere Auskünfte und alle Adressen der Kölner Schiedsleute:

Amt für Recht, Vergabe und Versicherungen
Willy-Brandt-Platz 3
Tel. 0221 / 221-3 17 25
www.stadt-koeln.de

Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen e. V.
Prümer Str. 2
44787 Bochum
Tel. 0234 / 588 97-0
www.schiedsamt.de

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Tags: Recht und Gesetz , Rechtsberatung

Kategorien: Leben in Köln