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Leben in Köln

Eine Zeitreise durch 60 Jahre KölnerLeben

David Korsten · 08.10.2019

Illustration: Sabine Voigt / Idee: Lydia Schneider-Benjamin

Illustration: Sabine Voigt / Idee: Lydia Schneider-Benjamin

In sechs Jahrzehnten vom „treuen Begleiter in schwierigen Zeiten“ zum städtischen Magazin auch für schwierige Themen. Wir haben uns einmal durchs KölnerLeben-Archiv geblättert.

Die Geschichte von KölnerLeben beginnt besinnlich - betulich: Das Titelblatt der ersten Ausgabe zeigte handgezeichnete Engelchen mit Laute, Flöte, Cello und Gesangbuch in den Händen. Am 1. Dezember 1959 erschienen 1.500 Exemplare, zu jener Zeit noch unter dem Titel „Der Feierabend“. Die Publikation, auf einfachem Papier gedruckt und mit Schreibmaschine geschrieben, war konzipiert als „Monatsschrift für die Bewohner der Riehler Heimstätten und des Städtischen Altenheims Köln-Mül heim“.
Für die „lieben alten Damen und Herren“ gab es allerlei Geschichtchen und Gedichte – in teils ziemlich kleiner Schrift – zu lesen. „Tröstender Begleiter in schlechten Zeiten“ sollte das Heft sein – so sahen es Redaktion und Herausgeberin, die beim Oberstadtdirektor der Stadt Köln angesiedelte Sozialverwaltung.

Zufriedenstellendes Leben ohne Arbeit?

Der vieldeutige Titel „Der Feierabend“ macht heute stutzig: Damals wurden Altenheime zum Teil noch „Feierabendheime“ genannt. Gemeint war sicher auch der „Lebensfeierabend“, also die Zeit nach dem Berufsleben. Und tatsächlich war ein zufriedenstellendes Leben im Alter ohne Arbeit offenbar kaum vorstellbar: In der 50. Ausgabe aus dem Jahr 1964 schrieb die Vorsitzende des Kölner Altenklubs, die Sozialpolitikerin Edith Mendelssohn Bartholdy, über dessen Gründung: Der Klub solle „Männern und Frauen eine der schwersten Perioden des Lebens erleichtern: die Zeit des Übergangs vom jahrzehntelangen Berufsleben in die oft nicht viel leichter zu ertragenden Jahre der Berufslosigkeit.“ Als Heilmittel schlug sie „Arbeitstherapie“ unter „geriatrisch geschulter Überwachung“ vor.

Das Leben der „betagten Bürger der Stadt Köln“, wie es jetzt im Untertitel hieß, bestand damals offenbar vor allem aus Mühsal, Leiden und Untätigkeit. Das sagt vermutlich weniger über die Gefühle und Bedürfnisse der älteren Menschen von damals aus, sondern mehr über die Lebensverhältnisse in den Heimen der 1950er und 1960er Jahre. In ihnen, so scheint es, warteten die Bewohner nur noch auf den endgültigen „Feierabend“ – bis dahin setzte die Redaktion ihnen monatlich „Ernstes und Heiteres, Besinnliches und Vergnügliches“ zur Zerstreuung vor.

„Brücke zur Heimat“

In den 1960er Jahren hatte das Heft Leser in aller Welt: In der 100. „Feierabend“-Ausgabe im März 1968 wurde betont, dass das Magazin für viele im Ausland lebende Kölnerinnen und Kölner „Brücke zur Heimat“ sei. Es begrüßte Leser in Frankreich, den Niederlanden, in Luxemburg, der Schweiz, auch in Südafrika, Chile, den USA, Nicaragua und Japan. Das Magazin stand für Heimatverbundenheit – und kam bis weit in die 1970er Jahre ziemlich konservativ daher. In einer Ausgabe von 1975 zum Beispiel machte sich eine der Geschichten über „antiautoritäre Erziehung“ lustig: Ein unerzogenes Kind namens „Che“ tritt darin einer alten Dame in der Straßenbahn vors Schienbein, die Mutter beruft sich auf die „freie Entfaltung der Persönlichkeit“. Die schlappe Pointe: Ein junger Mann mit langen Haaren undschwarzem Rauschebart bedankt sich bei der Mutter für ihr „Verständnis für unsereins“. Vom versöhnlichen, generationenübergreifenden Blick auf jüngere und ältere Menschen war man noch weit entfernt.

In der Karnevalsausgabe desselben Jahres fragte ein Redakteur die Leserschaft: „Warum lachen wir nicht öfter?“ Und gab selbst die Antwort: „Weil einem zu oft das Lachen vergeht, wenn man nur die Zeitung liest.“ Und was die „gegen Honorar tätigen Spaßmacher“ – gemeint waren die Büttenredner – vor trugen, war gemäß der Redaktion „oft wirklich zu billig“. Triste Zeiten für die „betagten Bürger“ – selbst in der fünften Jahreszeit. Gleichzeitig griff das Magazin mehr und mehr städtische Belange und Ratgeber-Themen auf. Es informierte über den „Auskunfts- und Beratungsdienst im Rathaus“ und über Sozialhilfe. In der Rubrik „Schütten Sie Ihr Herz aus“ druckte die Redaktion Leserfragen und gab Antwort, beispielsweise zum im Rahmen der kommunalen Gebietsreform erlassenen Köln-Gesetz oder zu Steuerfragen. Der Ton war oft schroff und lapidar: „Da kann man nichts gegen machen.“

Fremdenfeindlichkeit im „Feierabend“

In den 1970er Jahren wurde zunehmend klar, dass viele der Gastarbeiter, die in den 1950er und 1960er Jahren nach Köln gekommen waren, in der Domstadt bleiben würden. Die Leserschaft des „Feierabend“ war empört, abermals „schüttete sie ihr Herz aus“. Die Wortwahl der Einsendungen erinnert an Kommentare in den heutigen Sozialen Medien. 1976 beispielsweise schrieb ein „Herr F. G.“: „Lesen Sie keine Zeitung? Jeden Tag liest man von Messerstechern.“ Obwohl die Redaktion eigentlich „keine der gemeinsten Ausdrücke“ drucken wollte, veröffentlichte sie die fremdenfeindlichen Zuschriften immer wieder – auch auf Kölsch: „Die [Türke] bruche kein 100 Johr för Kölle als ehr Kolonie. Dann versüff Kölle en Dreck un Pänz.“ Köln werde türkische Kolonie und ersaufe in „Dreck und Kindern“, meinte die Dame. Die Redaktion empfahl daraufhin: „Da hilft nur noch beten.“

Lesen Sie auf Seite 2, wie es in den 90ern weiterging

Tags: Jubiläum

Kategorien: Leben in Köln