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Leben in Köln

Grundsicherung: Wenn die Rente nicht reicht

David Korsten · 31.01.2023

Foto: fotolia / Anke Thomass

Foto: fotolia / Anke Thomass

Nicht erst seit Energiekrise und steigender Inflation reicht immer mehr älteren Menschen die Rente nicht, um Miete, Lebenshaltung und kleine Alltagsfreuden zu bezahlen. Hilfen wie die Grundsicherung und das neue Wohngeld Plus sind Möglichkeiten, besser über die Runden zu kommen. Dazu Zahlen und Fakten aus Köln.

Die Frage, ab wann man in unserer Wohlstandsgesellschaft als arm gilt, ist nicht einfach zu beantworten. Seit Mitte der 1980er Jahre gilt in den Ländern der Europäischen Union die Festlegung, dass in Armut lebt, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltseinkommens zur Verfügung hat.

Für das Jahr 2021 haben die Fachleute des Statistischen Bundesamtes ausgerechnet, dass diese Grenze in Deutschland bei einem Einpersonenhaushalt bei 1.251 Euro liegt. Der Armutsbericht des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes für 2022 gibt an, dass in der Altersgruppe der über 65-Jährigen bundesweit 17,9 Prozent der Seniorenhaushalte von Armut betroffen sind, 2018 waren es noch 13,1 Prozent.

Unberücksichtigt bleiben regionale und lokale Unterschiede. „Diese müssen aber bei der Frage von Altersarmut unbedingt einbezogen werden“, betont Peter Krücker, Sprecher der Kölner Liga der Wohl- fahrtsverbände. „Die unterschiedlichen Miethöhen werden zwar berücksichtigt, trotzdem sind in der attraktiven Großstadt Köln die Lebenshaltungskosten eindeutig höher als in ländlichen Regionen.“

Peter Krücker sieht auch noch ein zweites Problem: In den Regelsätzen der Grundsicherung seien bestimmte Kosten nur pauschal einberechnet – so zum Beispiel die Energiekosten. Aufgrund der aktuellen Energiepreissteigerungen würden diese Pauschalen aber die tatsächlichen Aufwendungen für Energie nicht mehr abdecken – trotz der Energiehilfen des Bundes. „Hier besteht aktuell ein dringender Handlungsbedarf für den Bund, die Pauschalen auf das aktuelle und tatsächliche Preisniveau bei Strom und Gas anzuheben.“

Sichere Hinweise auf Armut

Ein Indiz, das hilft, den Umfang von Altersarmut festzustellen, ist die Zahl der Bezieher von Grundsicherung im Alter. Diese Sozialleistung erhält, wer im Rentenalter den notwendigen Lebensunterhalt nicht ausreichend aus eigenem Einkommen und Vermögen bestreiten kann und diese Hilfe beantragt hat. Für Köln gilt: Immer mehr Menschen ab 65 Jahren sind darauf angewiesen.

Verzeichnete die städtische Statistik im Jahr 2005 noch 8.308 Leistungsempfänger, so waren es 2022 mit 16.610 doppelt so viele. Das sind ungefähr 8,6 Prozent der Kölnerinnen und Kölner im Alter ab 65 Jahren. Damit wird deutlich: In Köln ist das Problem wesentlich größer als im Land Nordrhein-Westfalen, wo es gemäß amtlicher Statistik 4,2 Prozent sind. Ein weiterer sicherer Hinweis ist die Anzahl der Haus- halte, die Wohngeld beziehen. Zwar liegen hier die Einkommensgrenzen höher als bei der Grundsicherung, aber man muss einkommensschwach sein.

"Für mich gab es immer nur die Kinder. Nun kann ich nicht einmal Geburtstagsgeschenke für meine Enkel und Urenkel bezahlen.“

81-jährige Seniorin, die als alleinerziehende Mutter sich und ihre vier Kinder mit Putzjobs durchbrachte

In Köln bezogen so Ende 2022 insgesamt 8.696 Haushalte Wohngeld, davon fast ein Viertel (24,2 Prozent) mit einem Haushaltsvorstand über 65 Jahre. Der Vorstand ist meistens der Antragsteller, wie viele Menschen über 65 Jahre noch mit in diesen Haushalten wohnen, ist leider nicht erfasst. Beim neuen Wohngeld Plus liegen 2023 die Einkommensgrenzen bei 1.516 Euro für einen Ein- und bei 2.041 Euro für einen Zwei-Personen-Haushalt. Dadurch haben viel mehr Menschen einen Anspruch auf Wohngeld.

Laut einer Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft stellen 60 Prozent der Menschen, denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Gelder aus der Grundsicherung im Alter zustehen würden, keinen Antrag auf Unterstützung beim Sozialamt. Viele Berechtigte verzichten auf diese Leistungen aus Scham oder Angst, dass ihre Kinder für sie zahlen müssten.

Martin Debener, Fachreferent für Armut und Grundsicherung beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Nordrhein-Westfalen, rät Betroffenen, sich genau zu informieren und ihnen zustehende Leistungen auch in Anspruch zu nehmen. Was mancher nicht weiß: Kinder werden nur dann zur Kasse gebeten, wenn ihr jährliches Einkommen 100.000 Euro übersteigt.

Armut macht unsichtbar

Wer wenig Geld hat, spart zuerst an Freizeitaktivitäten, auch der Besuch im Café kostet Geld. Dennoch beklagten sich die Betroffenen selten, berichtet Sabine Boos. Sie organisiert bei der Stiftung der Diakonie Michaelshoven die Spendenkampagnen. Die ältere Generation sei es oftmals gewohnt, mit wenig Geld auszukommen. Besonders schmerzlich sei allerdings, wenn Besuche oder kleine Mitbringsel für Enkelkinder nicht finanzierbar sind. Viele arme Ältere ziehen sich daher in die eigenen vier Wände zurück. Sie haben bald nur noch wenige oder keine sozialen Kontakte mehr.

Altersarmut bleibt oftmals unsichtbar, bestätigt Martin Debener. „Eine Ausnahme von dieser Regel stellen ältere Flaschensammler dar. Diese Symbolfigur der Altersarmut gehört inzwischen zum Stadtbild – vor einigen Jahren gab es das in dieser Form noch nicht“, ergänzt er. Und auch in den Schlangen bei den Ausgabestellen der Kölner Tafel sind immer mehr Ältere zu sehen. Dass außerdem Frauen deutlich häufiger von Altersarmut betroffen sind als Männer, bestreitet keiner der Experten. Ende 2022 waren 56,5 Prozent der Grundsicherungsempfänger weiblich.

Werner Schönig, Professor für Sozialökonomik an der Katholischen Hochschule NRW, Standort Köln, nennt den Hauptgrund: unterbrochene Erwerbsbiografien. „Frauen, die jetzt im Rentenalter sind, haben deutlich häufiger über weite Strecken in Teilzeit gearbeitet oder die Kinder erzogen.“ Betroffene erlebten es als besonders schmerzhaft, wenn die Lebensleistung nicht für eine Rente ausreiche. Das gelte für beide Geschlechter.

Vielfältiges Hilfsangebot in Köln

Auf die zahlreichen Unterstützungsmöglichkeiten verweist Peter Krücker. Vor allem die Seniorenberatung der Wohlfahrtsverbände ist an mehreren Stellen in allen Stadtbezirken präsent und ansprechbar. Präventive Hausbesuche, haushaltsnahe Dienstleistungen, Selbsthilfeaktivitäten und die über sechzig SeniorenNetzwerke und Altenklubs in fast jedem Stadtteil ergänzen das Angebot. Sie alle sind Teil des Seniorenberatungskonzepts der Stadt Köln und werden von ihr finanziell gefördert.

Zudem würden in Köln verschiedene Träger auch Freizeit- und Bildungs- sowie kulturelle Angebote anbieten, so Peter Krücker. Dr. Harald Rau, der Beigeordnete für Soziales, Gesundheit und Wohnen der Stadt Köln, betont: „Unsere ganze Gesellschaft ist gefordert, wirksame Maßnahmen gegen Altersarmut zu ergreifen. Auch die Kommunen trifft eine besondere Verantwortung. So hilft zum Beispiel der Köln-Pass mit zahlreichen Vergünstigungen, am sozialen und kulturellen Leben unserer Stadt teilzunehmen.“

"Was soll man machen? Davon muss man alles kaufen.“

87-jährige Grundsicherungsempfängerin

So hilft der Staat

Grundsicherung im Alter

Menschen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenem Einkommen und Vermögen bestreiten können, sollten Grundsicherung beantragen. Dafür muss man mindestens 65 Jahre alt sein. Dieses Mindestalter wird für nach dem 1. Januar 1947 Geborene gestaffelt angehoben.

Die Höhe der Grundsicherung hängt vom Bedarf ab. Dazu zählt der Regelsatz (ein Grundbetrag), der 2023 für alleinstehende Personen 502 Euro und für Paare 902 Euro beträgt. Zusätzlich werden die Kosten für Unterkunft und Heizung sowie Leistungen für Bildung und Teilhabe als Bedarf berücksichtigt. Die Bedarfe werden dem Einkommen und Vermögen gegenübergestellt, aus der Differenz errechnet sich die Höhe der Grundsicherung.

Die Deutsche Rentenversicherung rät, bei einem gesamten Monatseinkommen von unter 924 Euro pro Person die Grundsicherung zu beantragen. Der Antrag muss beim Sozialamt der Stadt Köln gestellt werden. Die Mitarbeitenden des Amtes helfen beim Ausfüllen des Formulars.

> Zuständig ist die Außenstelle des Amtes für Soziales, Arbeit und Senioren, die in jedem Bezirksrathaus zu finden ist. Ebenso wie die Seniorenberatung, bei der man sich vorab informieren kann.

https://www.stadt-koeln.de/basisdienste/suche/?keywords=grundsicherung
www.smart-rechner.de/ grundsicherung/rechner.php

Wohngeld Plus

Das Wohngeld ist ein Zuschuss zu den Kosten für Miete oder als Lastenzuschuss zu den Kosten eines Eigenheims oder einer Eigentumswohnung. Die Leistung ist immer einkommensabhängig. Seit 1.1.2023 gilt das Wohngeld Plus.

Durch die Anhebung der Einkommensgrenzen können wesentlich mehr Menschen Wohngeld in Anspruch nehmen. Außerdem wird der Wohngeldbetrag deutlich erhöht und ein Heizkostenzuschlag von 2,00 Euro pro Quadratmeter hinzugerechnet.

Der Zuschuss berechnet sich nach der Anzahl der Haushaltsmitglieder, der Miete des Wohnraums oder der Belastung bei selbstgenutztem Wohneigentum sowie dem Gesamteinkommen der Haushaltsmitglieder. Hinzugenommen wird die Mietstufe, für die Großstadt Köln mit hohen Mieten ist es die Mietstufe 6. Die genaue Wohngeldhöhe wird vom örtlichen Wohngeldamt geprüft und festgelegt.

> Stadtweit zuständig ist die zentrale Wohngeldstelle,
Bezirksrathaus Lindenthal,
Aachener Str. 220,
50931 Köln.
Mo, Di, Do 8–12 Uhr und nach Vereinbarung.
E-Mail: poststelle-wohngeld@stadt-koeln.de

Antrag und Wohngeldrechner unter https://www.stadt-koeln.de/basisdienste/suche/?keywords=wohngeld#

Köln-Pass

Mit dem Köln-Pass erhält man Ermäßigung für viele Leistungen wie Tickets der Kölner Verkehrs- betriebe, den Zoo, Museen und Bühnen der Stadt Köln und vieles mehr. Bei geringem Einkommen oder geringer Rente sollte ein Antrag gestellt werden.

> Stadtweit zuständig ist das Amt für Soziales, Arbeit und Senioren,
Abteilung Bildung und Teilhabe, Köln-Pass,
Bezirksrathaus Mülheim (3. Etage),
Wiener Platz 2a,
51065 Köln.
Mo, Di, Do, Fr 8–12 Uhr und nach Vereinbarung.
https://www.stadt-koeln.de/basisdienste/suche/?keywords=K%C3%B6ln+Pass

> Alle Adressen, auch die der Seniorenberatungen:
Beratungstelefon für Senioren 0221 / 221-2 74 00.
„Wegweiser – Gut informiert älter werden“, zu bestellen unter 0221 / 221-2 20 93 (AB), per Mail an koelnerleben@stadt-koeln.de oder lesen auf www.koelnerleben.koeln

Nachgefragt:
Meike Köster ist Seniorenberaterin der Johanniter-Unfall-Hilfe im Bezirksrathaus Rodenkirchen.

Worin sehen Sie die Gründe, warum viele ältere Menschen keine Grundsicherung beantragen?

Aus meinen täglichen Beratungsgesprächen weiß ich, dass Unkenntnis, Scham und Angst die häufigsten Gründe sind. Oft wissen Rentner nicht, welche Leistungen ihnen zustehen und wo sie diese beantragen. Viele scheuen auch die Antragstellung, da sie sich zu Unrecht als „Bittsteller“ fühlen. Diese Scham besteht auch gegenüber der Familie, Freunden und Nachbarn. Nicht zuletzt äußern sie die Angst, sie könnten durch die Antragstellung zu einem Umzug oder dergleichen gezwungen werden.

Wie unterstützt und hilft die Seniorenberatung den Betroffenen?

Unsere Beratung ist umfassend, kostenlos und selbstverständlich vertraulich. Wir prüfen gemeinsam mit dem Ratsuchenden die Anspruchsvoraussetzungen auf alle gesetzlichen Leistungen, auch auf Grundsicherung, unterstützen dann bei der Antragstellung und begleiten auf Wunsch den weiteren Prozess.

Verbessert Grundsicherung die wirtschaftliche und soziale Lage für die Empfänger?

Ja, definitiv, wir sprechen allerdings immer noch von einem Existenzminimum. Aber es darf sogar ein Vermögen und Wohneigentum vorhanden sein. Diese Rücklagen helfen, etwa um bei Bedarf etwas Größeres anzuschaffen oder sich mal etwas Besonderes zu gönnen. Deshalb ist es so wichtig, dass sich Senioren frühzeitig beraten lassen.

Wie kann man einen Termin mit der Seniorenberatung vereinbaren und welche Unterlagen sollten mitgebracht werden?

Man kann einfach telefonisch oder per E-Mail Kontakt zu seiner Beratungsstelle im Bezirk aufnehmen. Dort wird ein persönlicher Termin vereinbart, bei Bedarf ist auch ein Hausbesuch möglich. In der Erstberatung benötigen wir nicht zwingend Unterlagen. Hilfreich ist es jedoch, wenn Angaben zur Rentenhöhe und den Mietkosten gemacht werden können.

Das Interview führte Wolfgang Guth.

Tags: Armut , Hilfsangebote , Leben im Alter , Wohnen im Alter

Kategorien: Leben in Köln