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Ratgeber

Wenn Zucker nicht nur süß ist

Lisa von Prondzinski-KölnerLeben-Ausgabe 6/2016 · 28.03.2017

Foto: Fotolia.com

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Diabetes ist eine Volkskrankheit. Eine tückische zudem. Die Diagnose wirft daher viele Fragen auf. Doch gegen die gefürchteten Spätfolgen kann jeder etwas tun.

Christa Bornmann bemerkte vor zwei Jahren, dass etwas mit ihr nicht stimmt. „Ich hatte wahnsinnigen Durst und hab’ einfach so in wenigen Wochen an die zehn Kilo abgenommen“, erinnert sich die 57-Jährige. Über die purzelnden Pfunde war die Kölnerin gar nicht mal unglücklich. Die Symptome machten eine ihrer Bekannten, eine Diabetikerin, hellhörig. „Die hat dann mal nach dem Essen meinen Blutzucker gemessen und der war extrem hoch.“ Die Woche drauf suchte Christa Bornmann ihren Hausarzt auf, der schickte sie nach einer Untersuchung weiter zum Diabetologen. An der Diagnose Diabetes mellitus Typ 2 gab’s nichts zu deuteln. „Werde ich irgendwann blind? Was kann ich denn jetzt noch essen? Muss ich Insulin spritzen?“, schoss es Christa Bornmann durch den Kopf. Inzwischen sieht sie alles viel entspannter: „Man kann ja etwas tun, hat diese Erkrankung ein Stück weit selbst in der Hand“, sagt sie.

Zellen werden unempfindlich gegenüber Insulin

Diabetes ist eine Stoffwechselstörung: Der Körper kann die Zuckerbausteine aus der Nahrung nicht richtig verwerten. Dreh- und Angelpunkt ist dabei der Botenstoff Insulin. Dieses Hormon sorgt normalerweise dafür, dass nach jeder kohlehydratreichen Mahlzeit Traubenzucker (Glucose) aus dem Blut in die Muskel- und Fettzellen weitergeschleust wird. Bei Typ-2-Diabetikern entwickeln die Zellen aber eine herabgesetzte Empfindlichkeit (auch Resistenz genannt) gegenüber Insulin, so dass nur unzureichend Zucker in die Zellen gelangt. Weil aus dem Darm weiter Nachschub strömt, steigt der Blutzuckerspiegel dramatisch an. Das ist für die Bauchspeicheldrüse, die Insulin herstellt, ein Signal, noch mehr davon zu produzieren. Der Teufelskreis dieser tückischen Krankheit beginnt ...

Anfangs merkt man meist nichts

Über die Jahre kann die Insulinresistenz weiteren Erkrankungen Vorschub leisten: Werden erst die Blutgefäße angegriffen, steigt das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall rapide an. Auch Nieren, Augen und Füße werden geschädigt. Bei rechtzeitiger Behandlung lassen sich Spätfolgen vermeiden. Daher kommt es auf eine frühe Diagnose an. Viele Betroffene sind aber oft über Jahre hinweg völlig ahnungslos. Nicht ohne Grund: Es gibt keine für alle Betroffenen typischen Warnhinweise. Neben übermäßigem Durst und Gewichtsverlust können Sehstörungen, Schwindel, Juckreiz am ganzen Körper, Mattigkeit, große Harnmengen oder schlecht heilende Wunden erste Anzeichen sein.

Allein die regelmäßige Messung des Blutzuckerspiegels gibt Auskunft. „Einmal im Jahr sollte jeder beim Hausarzt eine solche Untersuchung vornehmen lassen“, empfiehlt  Sigrid Hermes. Die Diabetologin und Ernährungsmedizinerin arbeitet in einer niedergelassenen Praxis. „Wenn man ab 35 regelmäßig zum Check-up geht, hat man die besten Chancen, Folgeerkrankungen zu vermeiden“, sagt die Ärztin.

Von Diabetes Typ 2 sind deutschlandweit etwa sechs Millionen Menschen betroffen. Von den über 60-Jährigen hat fast jeder Fünfte diese chronische Stoffwechselstörung. Früher traf Diabetes nur alte Menschen; der Begriff „Alterszucker“ hat sich daher eingebürgert. Heute sprechen Experten von einer Lebensstil-Erkrankung, die hausgemacht ist: Viele Menschen bewegen sich immer weniger und werden immer dicker. Außerdem kommt zu viel, zu fettes und zu zuckerhaltiges Essen auf den Teller. Gemüse hingegen spielt fast keine Rolle. „Aus den Protokollen unserer Patienten wissen wir, dass etwa zwei Drittel kaum oder kein Gemüse essen“, sagt Sigrid Hermes.

Gesunder Speiseplan bei Diabetes
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Auf die richtige Ernährung kommt es an

Neben Bewegungsmangel und Übergewicht spielt auch Veranlagung eine Rolle. Das Risiko selbst zu erkranken ist also höher, wenn schon ein Elternteil oder andere Verwandte betroffen sind. Christa Bornmann indes ist die Erste in ihrer Familie. Längst weiß sie, dass sie es selbst in der Hand hat, ihren Diabetes in den Griff zu bekommen. Mit Essen kennt sie sich inzwischen bestens aus. Bei einer speziellen Schulung, die von der Krankenkasse bezahlt wurde, hat sie viel über den Einfluss der Ernährung gelernt. Waren früher Diabetikern viele Lebensmittel verboten, können sie heute selbst spezielle Diabetesprodukte und Zuckerersatzstoffe ignorieren und fast alles essen. Wichtig ist aber eine ausgewogene und nährstoffreiche Ernährung.

Auch Christa Bornmann hat dazugelernt und inzwischen vielem abgeschworen. Vor allem den ungesunden Kohlehydraten, die nur „leere Kalorien“ liefern; also viel Energie, aber kaum Vitamine und Mineralstoffe. „Früher habe ich eine Tafel Schokolade in einem weggeputzt. Jetzt verkneife ich mir so etwas, nehme höchstens nur noch ein Stück. Obwohl mir das schwerfällt.“ Auch Nudeln, eine ihrer Lieblingsspeisen, stehen höchstens noch als Vollkorn-Variante auf ihrem Speiseplan. Zum Glück mag sie Broccoli, Bohnen, Tomaten und Paprika. Fertigprodukte dagegen kommen ihr nicht mehr auf den Tisch. Sie enthalten meist viel Zucker, gesättigte Fettsäuren, weißes Mehl und wenig Ballaststoffe. Was die Kölnerin an der Ernährungsumstellung als gravierend empfindet: „Ich muss die Mahlzeiten viel mehr planen als früher und bewusster einkaufen.“

Tags: Gesundheit

Kategorien: Gesund leben , Ratgeber